„Wer Fränzel vorher gesehen hat, erkennt ihn nicht wieder“, ist Kerstin Westhoff von der Fundhundestelle in Keez überzeugt. Die Polizei hatte die Bordeauxdogge zwischen Brahlstorf und Brüel entdeckt und die Fundhundestelle informiert.
Das war an einem Samstagmorgen vor vier Wochen. Der Rüde war in einem erbärmlichen Zustand“, sagt Westhoff. Aus den Ohren sei eine schwarze Suppe aus Milben, Pilzen und Bakterien gelaufen, das rechte Trommelfell hätten Bakterien völlig zerfressen gehabt, und von den Zähnen voller Zahnstein wären nur noch die Spitzen erkennbar gewesen. „Auf der Haut waren alle möglichen Tiere. Was dort lebte, war
lebendiger als der Hund selbst“, sagt sie. Auch ans Laufen sei nicht zu denken gewesen, und es habe eine
offene Wunde vom Kratzen sowie Liegebeulen gegeben, „als wenn er in einem Stall gehalten wurde“, beschreibt die Keezerin.
Mit den ihr zur Verfügung stehenden Medikamenten hat Kerstin Westhoff den Vierbeiner am Wochenende behandelt und am darauf folgenden Montag in der Tierklinik vorgestellt. Mit einem hochdosierten Antibiotikum und weiterer Arznei, unter anderem gegen Parasiten, aber auch mit guter Betreuung und Pflege gelang es, Fränzel für die wegen der Ohren nicht zu umgehenden Operation fit zu machen. Der Hund einmal in Narkose, hat sich der Tierarzt auch dessen Zähne angenommen, zwei mussten gezogen werden, weil sie verfault waren.
„Fränzel bekommt immer noch ein Antibiotikum und Kortison. Er hat sich bei uns gut entwickelt. Durch Spaziergänge hat er auch wieder Muskeln aufgebaut.“
Alles lief gut – bis der Fundhund in der vergangenen Woche plötzlich zusammenbrach und hoch fieberte. In der Tierklinik wurden Hodentumore festgestellt. „Die Genesungsaussichten sind gut, wenn der Rüde kastriert wird“, sagt Westhoff. Diese Kosten müsste dann allerdings der Verein Mecklenburger Fundhund übernehmen, so wie er schon für die Zähne bezahlt hat, die zusätzlichen Fahrtkosten zur Tierklinik trägt oder für das hochwertige Futter aufkommt, das Fränzel derzeit braucht. Doch ohne Spenden sei es fast unmöglich, dass der Verein das alles stemme.
„Mecklenburger Funhund“ hat sich im November 2011 gegründet, um den oft verwahrlosten oder kranken Hunden eine optimale medizinische und verhaltenstherapeutische Betreuung zu ermöglichen. Nur mit dem Obolus, den die Fundhundestelle von Amts wegen pro Vierbeiner über eine begrenzte Zeit bekommt, wäre das nicht realisierbar. „Ich bin einfach nur bemüht, eine gute Lösung für den Hund zu finden“, begründet Westhoff.
Die Bordeauxdogge ist ca. vier, fünf Jahre alt und könnte jetzt schon vermittelt werden, weil die Kastration zeitnah erfolgen soll. Die neuen Besitzer müssen wirkliche Liebhaber der Rasse sein, stellt sie eine Bedingung.
Schon einmal vermittelt, nun aber wieder auf der Fundhundestelle ist die Jack-Russel-Dackelmischlings-Dame Nelli. Wie SVZ im März berichtet hatte, stammt Nelli aus einer Beschlagnahmung des kreislichen Veterinäramtes Ludwigslust-Parchim in der Gemeinde Dobin am See. Ein neues Zuhause für Nelli fand sich dann in Straßburg. Allerdings war die Hündin nach nur einer Woche wieder in Keez. Die Eigentümer hatten sie – obwohl sie aus einem Telefonat wussten, dass Kerstin Westhoff an diesem Tag nicht in der Fundhundestelle war – entweder über den Zaun gesetzt oder dafür das Schloss des Tores geöffnet.
Niclas (10) schaut als Ferienkind aus
Hamburg derzeit auch nach den Vierbeinern auf der Fundhundestelle in Keez, hier mit Nelli, einer Jack-Russel-Dackelmischlings-Dame. Fotos: Roswitha Spöhr
Ist das ein Gehüpfe und Gewusel auf der großen Wiese der Fundhundestelle in Keez. Die Jack-Russel-Dackelmischlinge genießen die ungewohnte Freiheit und die frische Luft. Die kleinen Racker stammen aus einer Beschlagnahmung des kreislichen Veterinäramtes Ludwigslust-Parchim in der Gemeinde Dobin am See. „Eine ältere Dame hatte zwei Hunde, die Nachwuchs bekamen. Als die Frau ins Pflegeheim musste, hat ein Verwandter die Tiere übernommen. Die Hunde waren über einen längeren Zeitraum in einem Zimmer untergebracht, das völlig verkotet war“, sagt Kerstin Westhoff von der Fundhundestelle. Ein anderer Verwandter hatte sich dann an das Veterinäramt gewandt und Hilfe geholt.
„Die neun Mischlinge im
Alter zwischen einem halben und sechs Jahren wurden Mitte Februar beschlagnahmt. Ein Schäferhund konnte dort bleiben, nachdem die Haltungsbedingungen verbessert wurden. Das hat das Veterinäramt
auch kontrolliert“, so Westhoff. Für ein völlig abgemagertes Kaninchen gab es keine Rettung mehr.
Zwei Hündinnen haben inzwischen ein neues, gutes Zuhause bei Familien in Parchim und in der Gemeinde Kuhlen-Wendorf, freut sie sich. Für alle anderen werden nun Hundeliebhaber gesucht. Und: In den nächsten Tagen gibt es Nachwuchs, so dass dann acht Wochen später weitere Vierbeiner vermittelt werden müssen und natürlich deren Mutter. „Nelli“, wie Kerstin Westhoff diese Hündin nennt, war bereits hochtragend, als sie aus ihrem Verschlag geholt wurde. Es habe bereits einen OP-Termin zum „Ausräumen“ gegeben, erzählt sie. Vom Verstand her richtig, weil bereits genügend Hunde auf die Vermittlung warten würden, habe man aus Sicht des Tierschutzes anders entschieden, erklärt sie. Wobei Kerstin Westhoff sich dafür Rückendeckung im „Verein Mecklenburger Fundhund“, deren Vorsitzende sie ist, geholt habe. Um diese Entscheidung so treffen zu können, ist Nelli in den Eigentum des Vereins übergegangen.
Die Jack-Russel-Dackel-Mischlinge, die jetzt auf ein neues Zuhause warten, sind bis zu drei Jahre alt. Alle sind frei von Flöhen und entwurmt. Damit die Grundimmunisierung steht, bekommen sie noch eine Impfung.
Eine Leidensgeschichte hat auch der ca. fünf Jahre alte Labradormischling hinter sich, der ebenfalls im Februar in der Gemeinde Hohen Pritz beschlagnahmt wurde. Vorausgegangen war eine Anzeige durch den behandelnden Tierarzt. Der namenlose Rüde wurde in einem dunklen Betonverschlag gehalten, trotz Notwendigkeit nicht ausreichend tierärztlich versorgt und nur gelegentlich gefüttert, sagt Kerstin Westhoff. Weil er so abgemagert ist, hat sie ihm einen wärmenden Mantel angezogen. „Der Rüde ist ein freundlicher, lustiger Hund, der gern apportiert. Er sucht den Kontakt zum Menschen und verträgt sich mit Artgenossen“, sagt sie. Was er denn auch gleich unter Beweis stellt und die quirligen Jack-Russel-Dackelmischlinge links liegen lässt, als sich für ihn die Zwingertür auf der Fundhundestelle öffnet. Mit einem kleinen Holzstück im Maul und wedelndem Schwanz springt der Rüde über die Wiese.
Auch Prinz, Balu und Emmi stammen aus einer Beschlagnahmung. In der Nähe von Parchim war eine Tierpension geschlossen worden. Balu und Emmi, zwei echte Straßenhunde, sind vor zwei Jahren aus einem
bulgarischen Tierheim über einen Tierschutzverein in München nach Deutschland gekommen. „Leider wurden sie in der Tierpension schlecht versorgt. Sie sind übereinander hergefallen und haben zunächst
auch vor mir keinen Halt gemacht, wenn das Futter in der Tasche war. Inzwischen haben sie aber
ordentliche ,Tischmanieren’“, sagt Kerstin Westhoff. Der Aufwand sei sehr groß und auch hier ohne die Mitstreiter vom Verein nicht zu bewältigen. Ziel sei natürlich, die Hunde zu vermitteln, denn
wenn es nicht gelänge, müssten die beiden Tiere nach Ansinnen des Münchener Tierschutzvereins nach Bulgarien zurück. „Unsere Arbeit wäre umsonst gewesen“, sagt Westhoff. Da Balu aufgrund seiner
sehr schlechten Erfahrungen mit Menschen trotz intensiver Bemühungen immer noch kein Vertrauen aufbauen konnte, sieht Westhoff kaum Chancen für eine Vermittlung. „Er ist eine arme Kreatur, aber
Einschläfern ist auch keine Alternative. Vielleicht findet sich ein Pate für ihn und er kann in Keez bleiben“, wünscht sie sich. Emmi dagegen könne sie sich gut bei Leuten vorstellen, die nicht
ständig engen Kontakt suchen. Die Hündin braucht viel Auslauf und wäre ein guter Wachhund.
Mit den beiden „Bulgaren“ hatte auch Prinz, ein Kaukasischer Schäferhund und Fundhund im Amt Neustadt Glewe, in einem Zwinger der Tierpension gesessen. Und fand so seinen Weg ebenfalls nach Keez. „Bürsten war ein Problem, Impfen war ein Problem“, erinnert sich Westhoff. Jetzt kann sie ihn bürsten. Für Prinz wäre ein neues Zuhause, in dem er auf einem eingezäunten Grundstück frei laufen könnte, ideal.
Der Labradormischlings-Rüde (noch
ohne Namen) ist ein freundlicher, lustiger Hund, der gern apportiert. Er sucht den Kontakt zum Menschen und verträgt sich mit Artgenossen.
Prinz ist ein Schäferhund.
Er gehorcht gut, mag aber nicht den direkten Körperkontakt zwischen Menschen und ihm. Ideal wäre ein neues Zuhause, freilaufend auf einem eingezäunten Grundstück.
19.3.2017 Prinz ist inzwischen älter geworden, alles geht langsamer und er benötigt auch schon Schmerztabletten für seinen Rücken.
Die Jack-Russel-Dackel-Mischlinge sind
bis zu drei Jahre alt, sehr anhänglich und brauchen viel Aufmerksamkeit und auch noch ein bisschen Übung, denn sie haben keine Ausbildung genossen.
„Ohne den Verein wäre das nicht machbar“, zeigt sich Kerstin Westhoff überzeugt. Mecklenburger Fundhund e. V., deren Vorsitzende sie ist, hat sich im November 2011 gegründet. Aktuell zählt er zehn Mitglieder. „Das sind Leute, auf die ich mich alle verlassen kann.“ Als sie sich jüngst wegen einer Erkrankung nicht um die Hunde kümmern konnte, sei beispielsweise Gudrun Guse noch vor ihrem Arbeitsbeginn eingesprungen. Immer da, wenn sie gebraucht werde, sei ebenso Dr. Andrea Köpke. „Sie tauscht auch ein Brett in der Hundehütte aus, wenn es zernagt ist.“ Oder Ivonne Stahl und Egon Stöbe, nennt Westhoff stellvertretend weitere Namen.
Ziel des Vereins sei, den meistens völlig verwahrlosten und oft kranken Hunden eine optimale Betreuung medizinischer und verhaltenstherapeutischer Art zukommen zu lassen. Nur mit dem Obolus, den die Fundhundestelle von Amts wegen pro Vierbeiner über eine begrenzte Zeit bekommt, wäre das nicht realisierbar.
Dankbar sei man deshalb auch über Spenden: Decken, Leinen, Futter, Hundehütten... „Zu Weihnachten hat ein Brüeler großzügig gespendet. Da habe ich mich sehr gefreut“, sagt Kerstin Westhoff. Immer gesucht werden Leute, die die Patenschaft über einen Hund übernehmen wie jetzt wieder für die Jack-Russel-Dackelmischlings-Dame Nelli, die erst dann vermittelt werden kann, wenn ihr erwarteter Wurf acht Wochen alt ist, oder für den bulgarischen Straßenhund Balu, damit er in Keez bleiben könnte. Wer mehr über Ziele und Arbeit des Vereins, die Fundhunde und erfolgreiche Vermittlungen erfahren möchte, kann sich auf die Homepage klicken oder an die Vereinsvorsitzende wenden (Tel. 0172-6097794). Möglich in Keez ist übrigens auch ein Schülerpraktikum. Für Mai hat sich bereits jemand angemeldet.
Übermütig springt "Malli" hin und her. Der junge Schäferhundmischling freut sich sichtlich auf den Spaziergang. Er kann es kaum erwarten, dass es endlich losgeht. Hans-Peter Auert aus Warin,
Mallis Herrchen für einen Tag, hat noch ein wenig Mühe, den aktiven Hund zu bändigen. "Wir müssen uns erst noch ein wenig aneinander gewöhnen", sagt er mit einem Augenzwinkern.
Der Wariner ist am Sonnabend der Einladung von Kerstin Westhoff zu einer Neujahrswanderung von Keez nach Gut Häven gefolgt. Die Besitzerin einer Hundeschule im Ort und Vorsitzende des Vereins
Mecklenburger FundHunde e.V. hatte alle ehemaligen Fundhunde mit ihren neuen Besitzern dazu eingeladen. Aber auch Tierliebhaber, die einen herrenlosen Hund auf der Wanderung führen wollten, waren
willkommen. Ebenso, wie alle Hundebesitzer mit ihren Vierbeinern.
"Ich bin heute hier hergekommen, weil ich aus Platzgründen keinen eigenen Hund halten kann", sagt Hans-Peter Auert. "Weil ich Hunde so mag, hat meine Frau gesagt, dass es gut wäre, wenn ich hier
mitgehe", erzählt er schmunzelnd. Er freue sich sehr auf den Spaziergang mit Malli. Dass Hans-Peter Auert ein wahrer Hundefreund ist, zeigt sich aber nicht nur daran, dass er den Mischling auf
der Tour begleitet. Um Kerstin Westhoff und ihren Verein zu unterstützen, welcher sich um ausgesetzte und herrenlose Hunde in der Region kümmert, hat er auch einen Sack mit zwanzig Kilo
Trockenfutter als Spende mitgebracht.
Das Futter kann Kerstin Westhoff gut gebrauchen. Denn wenn im Amtsbereich Sternberger Seenlandschaft ein Hund gefunden wird, wird er erstmal zu ihr nach Keez gebracht. "Wir versuchen zunächst,
den Besitzer ausfindig zu machen", erzählt Kerstin Westhoff. Manchmal sei die Suche erfolgreich. Wie zum Beispiel bei der Jack Russel Terrier-Dame "Biene". Die sei im Sommer 2012 in einer
Gartenanlage in Sternberg aufgefunden worden. Niemand kannte die Hündin. Später konnte ihr Besitzer zwar ausfindig gemacht werden. Aber der wollte Biene nicht mehr. Denn er wurde für die Zeit, in
der die Hündin in Keez versorgt wurde, zur Kasse gebeten. "Aber er wollte nicht zahlen", berichtet Kerstin Westhoff. Biene hatte Glück im Unglück: Für sie wurde eine neue Familie gefunden. Sie
lebt jetzt bei Gudrun und Kay Guse aus Keez, die ebenfalls an der Neujahrswanderung teilgenommen haben.
"Sie konnte gar nichts und war mit vier Jahren noch nicht stubenrein. Wir vermuten, dass sie nur in einem Käfig oder im Zwinger gehalten wurde", erinnert sich Gudrun Guse an die Anfangszeit mit
Biene. Mittlerweile hat sich die Hündin gut eingelebt und fühlt sich wohl bei der Familie. Mit dem Geschäft draußen klappe es gut und Befehle wie Sitz befolge sie, erzählt die Keezerin. Auch mit
"Henry", dem anderen Jack Russel der Familie, verstehe sie sich gut. "Wir müssen nur manchmal aufpassen, denn sie klaut immer noch vom Tisch", so Gudrun Guse schmunzelnd.
Während Biene bereits ein liebevolles Zuhause gefunden hat, warten bei Kerstin Westhoff weitere Hunde auf ein neues Herrchen oder Frauchen. So zum Beispiel der Golden-Retriever-Collie-Mischling
"Prinz". Er habe eigentlich einen lieben Besitzer, der sei aber mittlerweile 85 Jahre alt und musste in ein Pflegeheim, weiß Kerstin Westhoff über das Schicksal des Rüdens zu berichten. "Prinz
ist ein sehr freundlicher Hund und trotz seiner zehn Jahre noch aktiv", sagt sie.
Neben Prinz wartet auch noch "Happy", ein Weimaraner Rüde, auf ein neues Heim. "Weimaraner sind sehr intelligente Tiere", so Kerstin Westhoff. Deshalb brauche der dreijährige Happy viel
Beschäftigung, eine konsequente Führung und jemanden, der sich Zeit für ihn nehmen kann. Der Rüde ist - ähnlich wie Prinz - nicht herrenlos, aber sein Besitzer sei schwer erkrankt, weshalb er
nicht mehr bei ihm bleiben konnte. "Happy ist sehr gut im apportieren. Ein Jäger wäre das ideale Herrchen für ihn". Kerstin Westhoff kann sich aber auch eine andere Karriere für den Rüden
vorstellen: "Er wäre für eine Ausbildung zum Rettungshund geeignet."
Hans- Peter Auert aus Warin begleitet Fundhund "Malli" auf der Tour.
Gudrun und Kay Guse mit den Jack Russels "Biene" (links, ehemaliger Fundhund) und "Henry".
Kerstin Westhoff (r.) liebt große und kleine Hunde. Sie freut sich, dass auch Zwergpinscher "Roxy" und ihre Besitzerin an der Wanderung teilnehmen.
Retriever Collie Mischling " Prinz" sucht noch ein neues zu Hause (wenn Sie mehr über Prinz wissen wollen, schauen Sie doch in der Repubrik "Aktuelle Fundhunde" nach)